Attraktiv, schlagkräftig, wahrnehmungsstark: Wie können Sanitätshäuser eine eigene, individuelle Dienstleistungsmarke aufbauen, die es mit den Produktmarken der großen Hersteller aufnehmen kann?
Sichtbar werden: „Die Betriebe müssen hinter all den Produktmarken sichtbar werden und sich für ihre Kunden in Szene setzen“, betont Mathias Bucksteeg. Der Kommunikationsberater und Geschäftsführer von semant!k – Ideen für Kommunikation, Berlin, begleitet unter anderem die seit 2010 laufende Imagekampagne des Handwerks. „Das Schwierige daran ist: Die Produktmarken können mit tollen Bildern von Technik werben. Dienstleistungsmarken sind schwerer zu kommunizieren. Denn die Wertschätzung für eine Dienstleistung entsteht erst, wenn man schon da war und positive Erfahrungen gemacht hat.“
Geschichten erzählen: Hochwertige Beratung sowie individuelle Anpassungen seien wesentliche Kompetenzen des Sanitätshauses, so Bucksteeg. „Die Bereitschaft des Kunden, diese Dienstleistungen wertzuschätzen und dafür Geld zu bezahlen, muss aber erst geweckt werden.“ Für den Kunden stehe nämlich zunächst das Produkt im Vordergrund, das er erwerben möchte – ob Bandage, Orthese, Rollator, Rollstuhl oder Kompressionsstrumpf. Zum anderen spiele Vertrauen im Markt eine große Rolle: „Wem vertraut der Kunde? Wenn es den Sanitätshäusern nicht gelingt, ihre Leistungen in den Köpfen zu verankern, wandert das Vertrauen auf die Ebene der Produkte.“ Dann zähle nur noch der Preis. Deshalb rät der Kommunikationsfachmann davon ab, sich lediglich auf Werbematerialien der Hersteller zu verlassen und sich selbst zum schnöden Produktvertrieb zu degradieren. „Sanitätshäuser sollten eigene Marken dagegensetzen, eigene Geschichten erzählen und die eigene Stärke hervorheben.“
Mitarbeiter einbeziehen: „Viele Sanitätshäuser scheuen sich aus Kostengründen davor, mit der Markenbildung zu beginnen“, beobachtet Bucksteeg. Die packende Idee fehle und sie fürchteten, doch nie die Qualität der Herstellermarken zu erreichen. „Dabei sind superschicke Logos und teure Agenturen gar nicht das Wichtigste. Einige der besten Beispiele wurden von den Betrieben selbst entwickelt.“ Ein guter Anfang sei, sich mit seinen Mitarbeitern zusammenzusetzen und zu fragen: „Was macht uns aus? Was treibt uns in der täglichen Arbeit an? Womit können wir im Markt punkten? Was fällt auf, was gefällt uns, wenn wir am Schaufenster vorbeilaufen und den Laden betreten?“ Manchmal bringe dies überraschende Erkenntnisse. Wertvoll seien zudem die Erfahrungen der Kunden.
Stärken zeigen: Zu den Stärken der Sanitätshäuser zählten individuelle Zuwendung und Einfühlsamkeit – und dies sollten Sanitätshausmarken aus Sicht des Experten ausstrahlen. So gebe es Firmen, bei denen das fachkundige Personal den Markenkern bilde. „Sie werben mit den Persönlichkeiten, dem Sachverstand und dem Engagement ihrer Mitarbeiter, personalisieren das Thema Vertrauen in Fotos oder Kurzfilme auf der Website. Zudem gibt es junge Betriebsinhaber, die sich nicht hinter Produkten verstecken und ihr Gesicht zeigen wollen.“ Statt der Models auf Hochglanzbildern der Hersteller könnten beispielsweise Aufnahmen des eigenen Teams das Schaufenster schmücken. „Vielleicht gibt es einen Azubi oder Gesellen, der sich mit Web und Social Media auskennt, mit einer handelsüblichen Kamera oder dem Handy kleine Porträts der Kollegen oder Interviews mit Kunden dreht und online stellt. Das kann sehr authentisch wirken und die Motivation stärken.“
Marke integrieren: Marke, Logo und dahinterstehendes Dienstleistungsversprechen dürfen im Ladengeschäft kein Schattendasein fristen: „Das Logo muss mindestens ein Viertel, besser ein Drittel der Fläche einnehmen, sonst wird es nicht wahrgenommen“, erklärt Mathias Bucksteeg. „Die Wand hinter dem Tresen ist ein guter Platz dafür.“
Wettbewerb um Köpfe: „Die Liberalisierung in Europa nimmt zu und Marken stehen in immer stärkerem Wettbewerb – auch um Fachkräfte und vor allem Fachkräftenachwuchs“, verdeutlicht Bucksteeg, „Die jungen Leute möchten in Unternehmen arbeiten, die Zukunft versprechen, ihre Mitarbeiter und deren Kompetenz schätzen – ausdrucksstarke Marken helfen, hier Aufmerksamkeit zu gewinnen.“
Dranbleiben: Einmal Marke erfinden, überall draufkleben – fertig? Dies funktioniert nicht: „Das ist ein laufender Prozess. Die Markeninhalte müssen ständig überprüft und angepasst werden“, weiß Bucksteeg. „Mit den ersten Schritten kann jedes Unternehmen sofort beginnen – einen Verantwortlichen in der Firma finden, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Denn das lässt sich schwer nach außen delegieren.“
Weiterdenken: Apotheken machen es, Sparkassen ebenfalls – mit einer gemeinsamen, systematisch gepflegten Dachmarke könnte sich auch die Sanitätshausbranche im Wettbewerb schlagkräftiger aufstellen. „Dies erfordert allerdings größere Investments“, sagt Bucksteeg. „Eine brancheninterne Diskussion wäre es aber allemal wert.“
Der Artikel erschien als Teil des Themas Markenbildung im Sanitätsfachhandel 2016 in der Fachzeitschrift OT – ORTHOPÄDIE TECHNIK.